Informationsleak bei vielen Webseiten und Online-Bewerbungsportalen

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1. Zusammenfassung

Für die Nutzung vieler Webseiten wie z.B. Foren, Partnerbörsen, Bewerbungsportalen, Newslettern oder sozialen Netzwerken muss man sich als Benutzer registrieren. Für diese Registrierung ist in der Regel die Angabe einer Mailadresse sowie eines frei wählbaren Pseudonyms als Benutzername erforderlich. Die meisten Internetnutzer gehen dabei davon aus, dass lediglich das Pseudonym öffentlich sichtbar ist und die Mailadresse vom Betreiber der Seite vertraulich behandelt wird. Je nach Art der Seite sollte bereits die Existenz eines Accounts zu einer bestimmten Person/Mailadresse geheimgehalten werden, weil bereits die Existenz eines Accounts gewisse Rückschlüsse über den Accountinhaber zulässt. Eine Registrierung in einem Forum zu einer bestimmten Krankheit lässt beispielsweise den Schluss zu, dass der Accountinhaber an dieser Krankheit leidet. Durch das hier vorgestellte Problem können unbefugte Dritte bei vielen Webseiten einfach feststellen, ob zu einer bestimmten Mailadresse ein Account existiert. Im Falle eines Bewerbungsportals bedeutet die Existenz eines Accounts in der Regel, dass der Accountinhaber sich bei der Firma beworben hat. Damit kann ein Arbeitgeber herausfinden, dass sich einer seiner Mitarbeiter bei einer anderen Firma bewirbt.

2. Beschreibung des Problems

Das Problem besteht darin, dass man beim Registrieren eines Accounts eine entsprechende Fehlermeldung bekommt, wenn bereits ein Account mit der angegebenen Mailadresse oder dem gewählten Benutzernamen existiert. Ein unbefugter Dritter kann damit durch den Versuch einer Registrierung mit der Mailadresse oder dem Benutzernamen des potentiellen Accountinhabers feststellen, ob eine Mailadresse oder ein Benutzername bereits auf einer Seite registriert ist.

Die Mailadresse ist fest einer Person zugeordnet und somit kann man aus der Existenz eines Accounts zu einer Mailadresse schließen, dass der Besitzer der Mailadresse sich auf der Seite registriert hat. Ein Arbeitgeber kennt in der Regel zumindest eine private Mailadresse des Mitarbeiters und kann somit feststellen, ob sich der Mitarbeiter mit dieser Mailadresse im Bewerbungsportal einer anderen Firma registriert hat. Man kann über dieses Problem zwar keine Details über den Account wie z.B. das verwendete Pseudonym zu einer Mailadresse oder das abgeschickte Bewerbungsschreiben herausfinden. Allerdings kann allein das Offenbaren der Existenz eines Accounts im Bewerbungsportal einer konkurrierenden Firma unerwünschte Konsequenzen für das bestehende Arbeitsverhältnis des Bewerbers haben.

Für einige Seiten wie z.B. Bewerbungsportale kann der Benutzername in vielen Fällen ebenfalls fest einer bestimmten Person zugeordnet werden (insbesondere bei seltenen Namen und/oder kleinen Branchen), da viele Nutzer dort einen vorhersehbaren Namen wie z.B. "Vorname.Nachname" oder ein dem bisherigen Arbeitgeber bekanntes Pseudonym wählen und auf eine vertrauliche Behandlung der Daten vertrauen.

Manche Webseiten verzichten auf einen eigenen Benutzernamen und verwenden zum Einloggen statt dessen nur die Mailadresse und das Passwort. Bei anderen Seiten wird ein zufälliger Benutzername vom System vergeben. Bei den meisten dieser Seiten lässt sich ebenfalls durch den Versuch einer Neuregistrierung feststellen, ob eine bestimmte Mailadresse bereits registriert ist.

3. Verbreitung des Problems bei Bewerbungsportalen

Ich habe durch den Versuch einer Doppeltregistrierung mit dem gleichen Benutzernamen bzw. der gleichen Mailadresse die Bewerbungsportalen von einigen großen Firmen getestet. Von den 30 Konzernen im DAX-Aktienindex sind 27 von dem Problem betroffen. Die übrigen 3 Firmen betreiben entweder kein Bewerbungsportal oder ermöglichen nur direkte Bewerbungen ohne vorherige Registrierung eines Accounts. Daher gehe ich davon aus, dass die überwiegende Mehrheit der Firmen, die ein Online-Bewerbungsportal betreiben, von dem Problem betroffen sind. Auch die Bewerbungsportale von vielen internationale Konzerne wie z.B. IBM oder Intel sind von dem Problem betroffen.

4. Andere problematische Online-Accounts

Das Problem tritt nicht nur bei Bewerbungsportalen sondern auch bei diversen weiteren Webseiten wie z.B. Online-Shops, Foren, Newslettern, sozialen Netzwerken oder Partnerbörsen auf. Allein die Existenz eines Accounts in einem Forum lässt in einigen Fällen bereits problematische Rückschlüsse über den Accountinhaber zu. Beispielsweise könnte ein Arbeitgeber anstelle der verbotenen Frage nach einer Schwangerschaft überprüfen, ob eine Bewerberin mit der für die Bewerbung verwendeten Mailadresse in einem Forum zum Thema Schwangerschaft registriert ist und gegebenenfalls unter einem Vorwand auf eine Einstellung verzichten. Auch eine Registrierung in einem Forum zu einem sensitiven Thema wie z.B. Arbeitnehmerrechte, Homosexualität, bestimmten politischen/weltanschaulichen Ansichten/Aktivitäten, Krankheiten (z.B. HIV) oder psychischen Problemen sollte nicht für jeden sichtbar sein. Die meisten Nutzer gehen davon aus, dass die Mailadresse vom Betreiber des Forums vertraulich behandelt wird und nur ein frei wählbares Pseudonym öffentlich sichtbar ist. Daher kann es höchst problematisch sein, wenn jeder, der die Mailadresse kennt, eine Mitgliedschaft in einem derartigen Forum feststellen kann.

5. Möglicher Missbrauch durch Cyberkriminelle

Die Existenz eines Accounts in einem Forum oder einem Supportportal zu bestimmten Hardware- oder Softwarekomponenten kann einem Angreifer verraten, dass ein Benutzer bestimmte Hardware/Software benutzt. Damit kann ein Angreifer gezielt Sicherheitslücken in diesen Komponenten ausnutzen.

Cyberkriminelle könnten das Problem verwenden, um die Effektivität ihrer Angriffe zu steigern. Beispielsweise ist es möglich, Phishing-Mails gezielt nur an die Mailadressen zu schicken, die auf der jeweiligen Seite tatsächlich registriert sind. Beim Versuch einer Accountübernahme durch Ausprobieren des Passworts (oder der Sicherheitsfrage zum Zurücksetzen des Passworts) kann es für einen Angreifer ebenfalls sinnvoll sein, vorher zu überprüfen, ob zu einem bestimmten Benutzernamen oder einer Mailadresse tatsächlich ein Account existiert.

6. Bestätigungsmails

Manche Seiten schicken beim Versuch einer Registrierung eine Bestätigungsmail an die angegebene Mailadresse. Über diese Bestätigungsmail kann der Nutzer erkennen, dass jemand versucht hat, sich mit der Mailadresse des Nutzers zu registrieren.

Einige Seiten zeigen (beispielsweise durch eine entsprechende Ajax-Anfrage an den Server) bereits vor Abschicken des Registrierungsformulars an, ob eine Mailadresse oder ein Benutzername bereits registriert ist. In diesem Fall wird keine Bestätigungsmail an den Besitzer der Mailadresse geschickt. Andere Seiten weisen nach dem Abschicken des Registrierungsformulars auf die bereits vergebene Mailadresse hin, auch wenn die Registrierung bereits aus anderen Gründen wie z.B. einem fehlenden Passwort, einem bereits vergebenen Benutzernamen oder nicht ausgefüllten Pflichtfeldern scheitert. In diesem Fall wird ebenfalls keine Bestätigungsmail verchickt und ein Angreifer kann dennoch feststellen, ob eine Mailadresse auf der Seite registriert ist.

Selbst wenn eine Bestätigungsmail verschickt wird, wird diese von den meisten Nutzern ignoriert, da sie sich nicht selbst registriert haben und kommen nicht auf die Idee, dass jemand versuchen könnte, mit der Mailadresse registrierte Online-Accounts zu finden. Und selbst wenn ein Benutzer das Problem kennt, kann es schwierig oder unmöglich sein, den Verantwortlichen für den Angriff zu finden.

7. Lösungsmöglichkeiten für Seitenbetreiber

Technisch lässt sich das Problem durch eine entsprechende Anpassung der betroffenen Webseiten lösen. Je nach Art der Seite muss man dazu auf einen frei wählbaren Benutzernamen verzichten, weil dieser ja schon vergeben sein kann und dies zwangsläufig zu einer Fehlermeldung beim Versuch einer Neuregistrierung mit dem selben Benutzernamen führt. Bei Seiten, auf denen der gewählte Benutzername/Nickname sowieso öffentlich sichtbar ist (z.B. Foren oder Partnerbörsen) und sich die meisten Nutzer mit einem Pseudonym registrieren, ist dies natürlich unproblematisch. Bei anderen Seiten wie z.B. Bewerbungsportalen, auf denen eine vertrauliche Behandlung der Daten allgemein erwartet wird und viele Benutzer sich nicht mit einem Pseudonym sondern mit dem richtigen Namen registrieren, ist wahrscheinlich ein Verzicht auf einen frei wählbaren Benutzernamen notwendig. Statt dessen kann man entweder einen zufälligen Namen vergeben oder ganz auf den Benutzernamen verzichten und die Mailadresse als Benutzername verwenden.

Das selbe Problem tritt auch bei der Mailadresse auf. Wenn man versucht, sich mit einer bereits registrierten Mailadresse erneut zu registrieren, dann bekommt man bei den meisten Webseiten ebenfalls eine Fehlermeldung bzw. die Aufforderung, sich mit dem bestehenden Account einzuloggen. Als Lösung für dieses Problem könnte man eine Verifizierung der Mailadresse durch einen Bestätigungslink einführen. Falls die Mailadresse bereits registriert ist, dann kann man auf eine Fehlermeldung gegenüber dem anfragenden Webbrowser verzichten und statt der Bestätigungsmail eine Erinnerung an den bestehenden Account verschicken. Auf diese Weise kann nur der Besitzer der Mailadresse feststellen, ob es zu der Mailadresse bereits einen Account gibt.

Auch bei der "Passwort Zurücksetzen" Funktion sowie beim Ändern der Mailadresse zu einem bestehenden Account (den der Angreifer zu diesem Zweck leicht registrieren kann) muss sichergestellt werden, dass man aus dem Verhalten der Seite keine Rückschlüsse auf die Existenz einer bestimmten Mailadresse ziehen kann.

Die hier vorgeschlagenen Maßnahmen sind allerdings mit einem gewissen Zusatzaufwand verbunden und führen unter Umständen zu Einbußen beim Komfort (kein selbst gewählter Benutzername, Verifizierungslink für Mailadresse) sowie erhöhtem Supportaufwand. Daher besteht natürlich ein gewisser Konflikt zwischen der Benutzerfreundlichkeit und dem Schutz der Privatsphäre. Für einige Seiten wie z.B. Bewerbugsportale, Partnerbörsen oder Foren über bestimmte Themen ist jedoch offensichtlich, dass die Privatsphäre der Benutzer geschützt werden muss und die Seite nicht unbefugten Dritten die Existenz von Accounts verraten sollte.

8. Schutzmöglichkeiten für Benutzer

Benutzer können ebenfalls durch bestimmte Maßnahmen ihre Privatspähre schützen. Beispielsweise kann man für die Registrierung sensitiver Accounts eine neue Mailadresse bei einem Freemail-Provider registrieren. Allerdings ist das Registrieren und Verwalten von vielen Mailaccounts problematisch, weil man sich alle Mailadressen und Passwörter merken muss sowie regemäßig eingehende Mails von allen Accounts abrufen muss. Als Alternative kann man bei einigen Mailprovidern wie z.B. Hotmail eine begrenzte Zahl von Alias-Adressen für einen Account erzeugen und dadurch mit einem einzigen Account mehrere Mailadressen benutzen. Zusätzlich ermöglichen es viele Provider, an die Mailadresse ein "+" und einen weiteren String anzuhängen. Beispielsweise kann man für die Registrierung eines Accounts die Adresse john.doe+someRandomString@email.provider anstelle von john.doe@email.provider verwenden. Da ein Angreifer nur die Basisadresse (john.doe@email.provider) und nicht den zufälligen String danach kennt, kann er nicht feststellen, ob der Benutzer einen Account registriert hat. Allerdings sollte man dann bereits beim Anlegen des Accounts berücksichtigen, dass man für ein eventuell nötiges Passwort-Reset die volle Mailadresse benötigt, mit der man sich registriert hat. Daher ist es sinnvoll, sich bei der Registrierung eines Accounts die verwendete Mailadresse aufzuschreiben.

Wenn man bereits einen sensitiven Account mit einer nicht geheimen Mailadresse registriert hat, dann kann man bei vielen Seiten die Mailadresse in den Profileinstellungen nachträglich ändern oder den Account löschen und damit die Existenz des Accounts verschleiern. Allerdings blockieren manche Seiten auch nach einer Änderung der Mailadresse weiterhin die Neuregistrierung mit der alten Mailadresse und offenbaren somit die Tatsache, dass ein Account zu der Mailadresse existiert oder existiert hat.

Außerdem kann man als Benutzer betroffene Seitenbetreiber informieren, wenn die Existenz eines Accounts aufgrund der Art bzw. des Themas der Seite unbedingt vertraulich bleiben sollte.

Wenn man die Existenz eines Accounts verbergen will, dann sollte man natürlich einen Benutzernamen wählen, der (auch von Bekannten oder dem Arbeitgeber) nicht einfach erraten werden kann. Dies ist offensichtlich für Seiten mit öffentlich sichtbaren Benutzernamen/Nicks (z.B. Foren oder Partnerbörsen). Aufgrund des hier beschriebenen Problems sollte man jedoch auch bei Seiten wie Bewerbungsportalen, auf denen man eine vertrauliche Behandlung der Daten erwartet, einen nichterratbaren Benutzernamen verwenden.

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